Zur Feier seines 20jährigen Bestehens hatte der UNESCO-Club Bursa auch drei Vertreter seines Partnerclubs aus Kulmbach in die südostanatolische Stadt Sanliurfa eingeladen. Dieser Ort wurde deshalb ausgewählt, weil in seiner Nähe der deutsche Archäologe Prof. Klaus Schmidt bei seinen Grabungen Mitte der 1990er Jahre ein steinzeitliches Bergheiligtum freigelegt hatte, das als erster Tempel der Menschheit charakterisiert wird. Die als Göbekli Tepe (bauchiger Hügel) bezeichnete Grabungsstätte liegt auf dem mit 750 Meter höchsten Punkt einer Bergkette. Ihre Entdeckung stellte eine archäologische Sensation dar. Sie ist sowohl wegen ihrer immensen Größe als auch ihres Alters sehr bemerkenswert.
Göbekli Tepe ist eine Anordnung von mindestens zweihundert T-förmigen Steinsäulen mit einer Höhe von bis zu 6 Metern und einem Gewicht von 22 Tonnen. Die kreisförmig angeordneten Säulen sind mit Bildern und schwer zu entschlüsselnden Piktogrammen bedeckt. Diese Zeichen stellen zwar keine Schrift dar, aber vielleicht allgemein verständliche heilige Symbole, wie man sie auch in jungsteinzeitlichen Höhlen fand. Bei den Tierabbildungen handelt es sich v.a. um Löwen, Stiere, Keiler, Füchse, Gazellen und Schlangen. Vereinzelt werden menschliche Wesen, vorwiegend Männer, dargestellt, lediglich eine Frau wird bei einer Entbindung gezeigt.
Die physischen Aspekte der archäologischen Stätte Göbekli Tepe sind erstaunlich, aber ihre Datierung überraschte die Forscher.
Die Pfeiler von Göbekli Tepe stehen seit mindestens 12.000 Jahren, 10.000 davon begraben unter riesigen Erdmassen. Die Wissenschaft ist sich nicht einig, ob dies absichtlich durch Menschen oder durch Naturereignisse geschah. Es gibt die Theorie, dass die Gesellschaft die Denkmäler vor der Katastrophe schützen wollte, die damals, am Ende der „jüngeren Dryas“, der Welt dramatische Klimaveränderungen brachte. Entstehung und Untergang von Göbekli Tepe entfiel genau in diesen Zeitrahmen.
Professor Schmidt ging davon aus, dass die Menschengruppen, die das Monument errichteten, sehr viel komplexer organisiert waren, als man dies für Jäger und Sammler bisher annahm. Außerdem verdeutlicht das Fehlen von Hinweisen auf eine Wohnnutzung, dass die Errichtung monumentaler Bauwerke in der Menschheitsgeschichte der sogenannten Neolithisierung (Sesshaftwerdung mit Ackerbau und Viehzucht) vorausging. Der Hügel diente offenkundig verschiedenen Gruppen als religiöses Zentrum. Dafür waren sie bereit, größte Anstrengungen auf sich zu nehmen. Man hat errechnet, dass der Transport der mehrere Meter hohen und bis zu zehn Tonnen schweren Pfeiler die Kraft von 500 Menschen erforderte. Hinzu kamen die umfangreichen Steinmetzarbeiten. Die Leute dafür mussten freigestellt und versorgt werden, was erhebliche Ressourcen, technische und künstlerische Fähigkeiten verlangte und – nicht zuletzt – einen festen Glauben.
Die Funde von Göbekli Tepe befinden sich mehrheitlich im archäologischen Museum von Şanlıurfa, einem Neubau mit eindrucksvoller Architektur, den die Reisegruppe nach dem Besuch der Grabungsstätte besuchte.
Şanlıurfa ist außerdem ein bedeutender Wallfahrtsort für den Islam, denn hier soll Abraham (Ibrahim) gelebt haben. Aus islamischer Sicht wurde Abraham hier geboren, seine angebliche Geburtshöhle wird verehrt und ist eine wichtige Pilgerstätte.
Eine zentrale Stätte in der Stadt ist die Moschee und der zum Komplex gehörende Teich des Abraham mit heiligen und unantastbaren Karpfen. Die Legende besagt, dass Gott Abraham, der auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, errettete, indem er das Feuer in Wasser verwandelte und Glutbrocken zu Karpfen wurden.
Die im nördlichen Mesopotanien gelegene, karge Gegend profitiert vom Bau des riesigen Atatürk-Staudammes, 40 km nördlich von Sanliurfa. Die Wasser des Euphrat können damit kontinuierlich genutzt werden, u.a. zum Anbau von Baumwolle. Große militärische Sperrbezirke im Umkreis der Stadt lassen erkennen, dass beträchtliche Anstrengungen erforderlich sind, um die innere und äußere Sicherheit zu garantieren. Die Region gehört zum zentralen Siedlungsgebiet der Kurden und die Grenze zum Bürgerkriegsland Syrien ist nicht weit.
In dessen Nähe führte ein abschließender Ausfug nach Harran, 20 km vor der syrischen Grenze. Der Ort ist für seine bienenstockförmigen Häuser bekannt, seine Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Arabern. Dort sind noch die Überreste der vermutlich ältesten Universität der islamischen Welt sowie ein Minarett einer dazugehörigen Moschee zu sehen. Von Harran zog der Erzvater Abraham weiter nach Kanaan, ins gelobte Land.
Abraham ist als Stammvater Israels eine zentrale Figur des Alten Testaments. Er gilt auch als Stammvater der Araber; von seinem Sohn Ismael soll der Prophet des Islam, Mohammed, abstammen. Abraham gehört zusammen mit seinem Sohn Isaak und seinem Enkel Jakob zu den Erzvätern, aus denen laut biblischer Überlieferung die Zwölf Stämme des Volkes Israel hervorgingen. Wer wie die UNESCO Verbindendes und nicht Trennendes zwischen Kulturen und Religionen sucht, der wird bei Abraham fündig. Seine Person spielt in allen drei großen Weltreligionen eine wichtige Rolle. Diese gemeinsamen Wurzeln zu erkennen und aufzuzeigen kann dazu dienen, entstandene Ängste und Vorbehalte abzubauen und ein friedliches Miteinander zu erleichtern.
Diesem Ziel dient auch die 20jährige Freundschaft zwischen den UNESCO-Clubs in Bursa und Kulmbach, die aus der Partnerschaft der beiden Beruflichen Schulen beider Städte entstand. Auf diese Bezüge gingen auch mehrere Redner einer schlichten Feier am Abend des mit Höhepunkten gespickten Tages ein. Vorsitzender Hartmut Schuberth bedankte sich bei seiner Kollegin Esra Minez für die Einladung zu dieser außergewöhnlichen Exkursion und regte an, sich künftig gemeinsam noch intensiver mit zentralen UNESCO-Themen wie Sicherung der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung zu beschäftigen. Auch Schulleiter Alexander Battistella versprach, dass der seit 1985 betriebene Austausch von Praktikanten mit Bursa weiterhin fest zum Profil des Beruflichen Schulzentrums gehören werde.
Nach der Rückkehr nach Bursa stand noch ein Besuch der Tophane-Schule sowie der Merino-Grundschule auf dem Programm, wo Erfahrungen bei der Beschulung von Flüchtlingen ausgetauscht wurden.